Wir haben ein Druckluftproblem! Beim Brand Ende Juli sind bis auf ein paar Flugrostanhaftungen keine Maschinen in Mitleidenschaft gezogen worden – mit Ausnahme des Kompressors auf dem Dachboden… Der ist jetzt knusprig.
In diesem sowie einigen künftigen Artikeln möchten wir euch unsere preisgünstige neue Druckluftversorgung für die Werkstatt vorstellen und deren Entstehung dokumentieren.
Insgeheim hatten wir schon seit längerem den Wunsch nach einer leistungsfähigeren Druckluftversorgung, bisher hatten jedoch andere Baustellen vorrang.
Ausgangsbasis ist ein gebrauchtes Aggregat samt Motor von einem Aircraft 703/270 H, welches wir günstig auf eBay ersteigern konnten. Der Neupreis dieses Kompressors inkl. 270 l Tank liegt bei fast 1.600 Euro und damit aktuell nicht im Budget. Mit dem Eigenbau werden wir trotz mehr Funktionsumfang unter 1.000 Euro liegen.
Fabian kümmert sich um Mechanik (Rahmen, Träger, Anordnung) sowie den Druckluftteil (Leitungen, Ventile, etc.) und ich werde mich auf die Steuerung konzentrieren.
Anforderungen
Kein Projekt ohne ordentliche Anforderung Wunschliste.
- > 500 l/min Abgabeleistung
- > 200 l Tankvolumen
- Kompakt genug für den Dachboden
Und da die Anlage auf dem Dachboden schwierig zu erreichen ist außerdem:
- Fern-Überwachung
- Automatischer Kondensatablass
Teileliste
Grober Überblick über die wichtigsten Komponenten. Die Liste wird stetig erweitert bzw. in Artikeln zu einzelnen Aspekten der Anlage auch nochmal detaillierter behandelt.
Kompressor
- Aggregat von Aircraft 703/270 H mit 4 kW Drehstrommotor
- 3x Drucklufttank 100 l aus dem Fahrzeugbau
Rahmen
- Gummipuffer
- Stahl Vierkantrohr 40x40x2 mm
- MIPA 2K Lack , RAL 7021 Schwarzgrau
Elektro/Steuerung
- Komtaktschaltschrank Rittal AE1031.500 – 380 x 300 x 210
- Siemens Sanftstarter SIRIUS 3RW3016-1BB14
- Leistungsschalter Siemens SIRIUS 3RV2311-1HC10
- Hauptschalter Eaton 038873 – T0-2-1/EA/SVB
- SPS Siemens LOGO! 12/24 RCEo – 6ED1052-2MD08-0BA0
- Textsidplay Siemens LOGO! TDE – 6ED1055-4MH08-0BA0
- Drucktransmitter ifm electronic PU5414
- M12 Sensorleitung geschirmt ifm electronic EVC541
- Div. EATON M22 Befehls/Meldegeräte
Ein Großteil der Komponenten kommt von eBay, teils gebraucht (Sanststarter, Leistungsschutzschalter, teils neu (Textdisplay, Schaltschrank). Alles andere bestellen wir wie immer bei Automation24.de.
Aufbau
Beim Aufbau waren uns zwei Dinge wichtig.
- Der neue Kompressor muss wieder auf den Garagenspeicher passen (max. 650 mm Höhe)
- Der neue Kompressor soll bei einem eventuellen Umzug auch anderweitig verwendbar sein.
Entsprechend kann die Anlage mit ein paar wenigen Modifikationen auch gestapelt oder erweitert werden. Basis sind jeweils gleich große geschweißte Rahmenkonstruktionen als Träger.
Die Komponenten von links nach rechts:
- Verdichter
- Schaltschrank mit Siemens Logo! Steuerung
- Elektromotor
- Kondensattank
- Elektrische Kugelhahnventile
- Drucklufttanks 100 l
CAD Modelle für Motor, Schaltschrank, Befehls/Meldegeräte, Ventile und Tank kommen von grabcad.com bzw. partcommunity.com. Da uns für den Verdichter noch ein paar Maße fehlen ist dieser nur grob als Block angedeutet.
Rahmen
Schweißkonstruktion aus 40x40x2 mm Vierkantrohr aus Baustahl. Das Aggregat und der Motor werden auf einem Stahlrahmen befestigt, zur Entkopplung gibt es noch ein paar Gummipuffer.
Leitungssystem
Bei den Leitungen haben wir uns für sogenannten Panzerschlauch in Größe 3/4 Zoll entschieden. Dieser ist günstig zu bekommen und hält dauerhaft 10 Bar Druck aus. Außerdem macht die flexible Verbindung die Installation leichter und verhindert später Probleme durch Vibrationen.
Für die Drucklufttanks sind diverse Adaptierungen notwendig, da die 5 Abgänge je Tank in M22 ausgeführt sind. Metrische Schläuche sind jedoch vergleichsweise teurer – wir nutzen also Adapter auf 3/4 Zoll.
Für die automatische Entwässerung kommen Leitungen in 3/8 Zoll zum Einsatz, da hier nicht viel Volumen anfällt.
Lackierung
Beim Lack setzen wir auf die bewährte 2K Technik von MIPA. Der kann gerollt werden und ist sehr widerstandsfähig. Ein paar Reste in Schwarzgrau dürften noch vorhanden sein.
Elektro / Ansteuerung
Eine Kompressorsteuerung für den alten Kompressor hatte ich vor einiger Zeit bereits mal gebaut.
Mit dem neuen Verdichter mit Drehstrommotor müssen wir diese jedoch wieder über den Haufen werfen.
Bei einem 4 kW Motor ist ein Sanftanlauf bzw. eine Stern/Dreieck-Schaltung nicht zwingend erforderlich (Vorgabe Netzbetreiber ist i.d.R. ab 5 kW). Da wir die Werkstatt jedoch „nur“ mit 34 A versorgen können, kann es im ungünstigsten Fall zu einem Engpass kommen (CNC Fräse, Absaugung, Kompressor, ggf. Vakuumpumpe). Um das zu verhindern setzen wir einen Siemens SIRIUS Sanftstarter ein – die sind nicht gerade günstig, sorgen jedoch neben einem linearen Strombezug beim Anlaufen auch für Materialschonung beim Verdichter.
SPS / Siemens Logo 8.1
Zugegeben, eine vollwertige SPS für einen Werkstattkompressor mag overkill sein… Während der Planung für unsere neue Druckluftversorgung wuchs wie so oft die Wunschliste an und eine „intelligente“ Steuerung war wurde nötig.
- Betriebsstundenzähler. Praktisch um die Wartungs / Ölwechselintervalle einzuhalten.
- Temperaturüberwachung. Der Kompressor arbeitet versteckt auf dem Dachboden, gerade im Sommer ist eine Überwachung sinnvoll.
- Option für einen 2. Verdichter mit Grundlast/Lastverteilungs-Management
- Einstellbarer Solldruck. Für kleine Werkstattarbeiten oder mal eben einen Autoreifen zu befüllen müssen nicht 300 l Druckluft mit 10 bar zur Verfügung gestellt werden
- Verschiedene Betriebsmodi. z.B. mit niedriger Hysterese bei hohem Druckluftbedarf (Sandstrahlen, etc.)
- Anlaufentlastung. Damit der Verdichter beim Anlauf nicht gegen den Restdruck im System starten muss, wird der Druck vorher abgelassen.
- Automatischer Kondensatablass. Kompressoren sammeln im Kessel Kondensat. Wird dies nicht abgelassen kann im Kessel Rost entstehen. Über ein Magnetventil am Boden des Kessels soll das Kondensat proportional zur gelieferten Luftmenge abgelassen werden.
- Sicherheitsabschaltung. Sollten wir den Kompressor mal vergessen haben schaltet sich dieser automatisch nach 60 Minuten in den Standby. Das verhindert nerviges Anlaufen mitten in der Nacht, wenn der Druck im System unter die Einschaltschwelle gefallen ist.
- Datenlogging. Vor allem hilfreich zur Dichteprüfung.
- Tankregelung. Über ein Magnetventil sollen je nach Einsatzart zwischen 100 und 300 l Tankvolumen umgeschaltet werden. Dadurch die Druckluft für kleine Aufgaben schnell verfügbar.
Als Hardware nehmen wir eine 0BA8 Logo! 8 Standard, das hat folgende Vorteile:
- Ein paar Euro günstiger als die Version mit Bildschirm
- 24V Spannungsversorgung
- 4 Ausgänge als Relais bis 10 A belastbar
- 8 Eingänge, davon 4 auf 0-10 V umschaltbar
Programmierung
Die Siemens Logo! wird grafisch programmiert. Anfangs ist das etwas ungewohnt, nimmt einem jedoch eine Menge Arbeit ab. Jeder Eingang, Ausgang, Meldetext sowie Funktion ist dabei durch einen Block beschrieben. Blöcke lassen sich untereinander verbinden und durch Logikoperatoren (wenn, dann, größer, kleiner, etc.) steuern. Insgesamt erlaubt die Logo! 400 solcher Blöcke pro Programm, was schon eine ganze Menge ist. Unsere gesamte Logik kommt mit weniger als 60 Blöcken aus.
Noch in Arbeit: Unser Programmaufbau, auch „Diagramm“ genannt.
An dieser Stelle danke an www.kreativekiste.de für das Codebeispiel zur eigentlichen Kompressorsteuerung.
Meldungen
Damit die SPS auch mit uns sprechen kann kommt ein Siemens TDE (Textdisplay) zum Einsatz. Die Anbindung an die Mutterstation Logo! geschieht per LAN und kann somit auch mal größere Distanzen überbrücken.
Wenn man Arduino und ein voll-grafikfähiges Display gewöhnt ist, ärgert man sich zunächst etwas über die beschränkten Optionen der TDE. Dafür werden sämtliche Konvertierungsaufgaben der Variablen von der Software übernommen – das spart nerven und geht schnell von der Hand.
Hier ein paar Impressionen aus der Anzeige:
Web-Interface
Mit der aktuellen Baureihe hat Siemens jeder Logo! einen eingebauten Webserver verpasst. Ihn nicht zu nutzen wäre schade, deswegen schöpfen wir die Möglichkeiten voll aus und spendieren der Anlage eine hübsche Visualisierung.
Die Hintergrundgrafik ist ein Screenshot aus PowerPoint, Schalter und Meldezustände werden durch die Logo! selbst ersetzt.
Alle Elemente in grau können nicht verändert werden, z.B. die mechanischen Komponenten. Alles was rot/orange/rot angezeigt wird sind Meldungen der entsprechenden Sensoren.
Funktionen
Was kann das Webinterface?
Steuerung
- Betriebsstundenzähler heute / gesamt
- Zeit bis zur nächsten Wartung
- Start/Stopp
- Vorwahl Soll-Druck
- Vorwahl Hysterese
Anzeige
- Betriebszustand Verdichter
- Temperatur Verdichter
- Status Entlastungsventil
- Status Kondensatabscheider
- Zeit bis zur nächsten Abscheidung
- IST-Druck
So geht es weiter
Sobald die Werkstatt wieder hergerichtet wurde fangen wir mit der Fertigung des Rahmen an. In Zwischenzeit wird es nochmal ein paar Details zur Logo! Programmierung sowie unserem finalen Steuerungsprogramm geben.
Bald mehr auf unserem Blog!
Cooles Projekt! Denkt dran, die Pumpe mit Motor auf Schwingungsdämpfern zu lagern. Dann habt ihr nicht so ne Rappelkiste.
Bin gespannt auf die Fortsetzung. 🙂
Hi Torsten!
Vielen Dank 🙂 Dämpfer sind fest eingeplant. Wir müssen mal schauen wie wir mit der Höhe hin kommen, deshalb ist im CAD noch nichts davon zu sehen.
In Kürze gibt es einen Artikel zur Softwareseite, die Hardware ist soweit bestellt und wartet auf die Renovierung der Werkstatt.
Gruß,
André
Anstatt Magnetventile zur Tankregelung zu verwenden , würden sich hier Motorkugelhahn anbieten.
Hallo Interessierter,
hier handelt es sich um einen Fehler im Text. Es kommen zwei elektrische Kugelhahnventile zum Einsatz. Eines, um die Tanks zu trennen, das andere, um den Kompressor generell vom Druckluftnetz zu trennen.
Magnetventile kommen nur für den Kondensatablass und die Entlüftung des Verdichters zum Einsatz.
Grüße, Fabian