Das Thema Sicherheit bei Eigenbaumaschinen hört meistens beim Einbau von ein oder zwei Not-Aus Schlagtastern auf. Wird die Maschine privat und nur vom Erbauer selbst verwendet scheinen manche Sicherheitsvorkehrungen übertrieben. Trotzdem lohnt es sich zu dem Thema ein paar Gedanken zu machen.
Ich möchte hier keinen Wikipedia Artikel verfassen (den gibt es nämlich schon!), sondern ein paar Grundlagen erklären und deren Anwendung in der Praxis zeigen.
Eine CE-Kennzeichnung nach Maschinenrichtlinie ist für eine Eigenbaumaschine ohnehin so gut wie unerreichbar. Oft scheitert es schon bei der zwingend vorgeschriebenen Umhausung.
[toc]Risikoanalyse
Bevor es an die zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen geht, steht eine Risikoanalyse an. Für eine CNC Fräsmaschine sind das z.B. die folgenden Szenarien
Statisch
- Schneiden am Werkzeug z.B. beim Spannen von Werkstücken
- Schnittverletzungen von scharfkantigen Spänen
- Stoßen mit dem Kopf beim Bestücken der Maschine
- …
Während der Bearbeitung
- Fräswerkzeug bricht ab und Teile fliegen weg
- Werkstück löst sich aus der Aufspannung und fliegt weg
- Quetschen z.B. am bewegten Portal oder im Bereich von Antrieben / Riemenrändern
- Gefährdung durch liegengelassene Werkzeuge im Bearbeitungsraum
- Schädigung des Gehörs durch Lärm
- …
Sonstiges
- Gefährdung durch Außerkraftsezten von Sicherheitseinrichtungen
- Gefährdung durch unsachgemäße elektrische Einrichtung oder Fehler in der Elektrik (Stromschlag)
Schutzmaßnahmen
Jetzt geht es um die Gegenmaßnahmen zu einigen der oben genannten Risiken im Umgang mit der Maschine. Viele Dinge lassen sich einfach lösen / sollten eigentlich selbstverständlich sein.
- Beim Fräsen sollte man eine Schutzbrille auf haben und je nach Bearbeitung Gehörschutz tragen.
- Scharfkantige Werkzeuge sollten immer verpackt oder geschützt gelagert werden
- Beim manuellen Spannen von Werkzeugen Handschuhe tragen
- Späne absaugen, niemals mit Druckluft ausblasen
- Holz- und anderen Stäube müssen zuverlässig abgesaugt werden (u.a. Krebsgefahr!)
- Niederohmige Erdung aller berührbaren Teile
- Verwendung von Schutzspannung (i.d.R. 24V) für Bedienelemente und als Steuerspannung
- Etc. pp.
Weiterhin gibt es noch eine reihe von anderen Sicherheitssystemen. Hier einige Beispiele…
- Umhausung der Maschine, vollständig oder teilweise
- Lichtzäune (Lichtschranken)
- Trittmatten
Etwas komplizierter und deshalb oftmals nur rudimentär umgesetzt sind jedoch die Maßnahmen in Sachen Steuerung / Elektrik / Elektronik.
Hier eine kleine Übersicht:
Not-Aus oder Not-Halt?
Beide Themen werden oft durcheinander geschmissen, unterscheiden sich jedoch grundsätzlich. Welche Form für die eigene Maschine zum Einsatz kommt hängt von der Risikoanalyse ab.
Not-Aus
Wie der Name bereits sagt wird hier die Maschine ausgeschaltet, indem z.B. die Spannungsversorgung unterbrochen wird.
Not-Halt
Hier wird die Maschine kontrolliert angehalten und ggf. danach die Spannungsversorgung (zeitverzögert) unterbrochen.
Bei CNC Maschinen kommt in der Regel der Not-Halt zum Einsatz. Durch das reine unterbrechen der Versorgungsspannung ergeben sich folgende Probleme:
- Frässpindel läuft unkontrolliert bis zum Stillstand aus
- Servomotoren besitzen im unbestromten Zustand keine Selbsthemmung, d.h. Bewegungen (z.B. die der Z Achse) werden nicht direkt gestoppt
- Die Maschine befindet sich nach nach Unterbrechung der Stromversorgung nicht in einem sicheren Zustand (z.B. könnte die Z Achse noch weiter absinken)
Beim Not-Halt hingegen wird die Maschine zunächst in einen kontrollierten Zustand gebracht.
- Die Frässpindel wird mit maximaler Bremswirkung verzögert, z.B. durch Zuschalten eines Bremswiderstands am Frequenzumrichter
- Die Achsantriebe / Servos werden ebenfalls gestoppt und ggf. vorhandene elektromagnetische Bremsen ausgelöst
- Die Maschine wird gegen ein automatisches wiederanschalten gesperrt.
Aufbau Sicherheitssystem
Der einfachster Aufbaubesteht aus einem Sicherheitsrelais (Relais mit Eigenüberwachung) und einem roten Pilztaster. Mehr Möglichkeiten ergeben sich jedoch mit einem Sicherheitsschaltgerät (tolles Wort!) oder einer Sicherheits-Kleinsteuerung.
Bei sämtlichen sicherheitsrelevanten Einrichtungen gilt: Doppelt hält besser. Durch ein zweikanaliges Not-Halt Taster kann ein sicheres Abschalten auch bei einem gequetschten Kabel oder einem Kurzschluss gewährleistet werden.
Sicherheitsschaltgerät
Ein Sicherheitsschaltgerät überwacht zwei oder mehr Kanäle einer Maschine, schützt vor Wiedereinschalten. Um die Sicherheit zu erhöhen werden sicherheitsrelevante Baugruppen zweikanalig ausgelegt. z.B. indem ein Pilztaster mit einem 2. Schaltelement bestückt wird oder eine Türüberwachung zwei statt nur einem Schalter benutzt.
Moderne Sicherheitsschaltgeräte überwachen die Kanäle außerdem auf Kurzschluss zueinander. Wird z.B. das Kabel gequetscht / abgeschehrt löst das Schaltgerät zuverlässig aus.
Sicherheits-Kleinsteuerung
Hier ein Beispiel für eine Kleinsteuerung der Firma Pilz, Modell PNOZ mm0p.
Eine Sicherheits-Kleinsteuerung ist so etwas wie eine hochsicherheits-SPS Steuerung. Im Vergleich zu einer normalen SPS gibt es hier meistens eine zweifache redundanz bzw. eine Überwachung des Schaltzustandes. Somit ist auch im Fehlerfall der Steuerung ein sicheres Stoppen der Maschine gewährleistet.
Das Schaltgerät sorgt auch für die nötige Logik bei der Überwachung von verschiedenen Sicherheitseinrichtungen. Neben einfachen Logikaufgaben wie UND/ODER sind auch Zeitverzögerungen oder Schwellenwerte möglich.
Beispiel: Zwei Eingänge lassen sich als Start-Schaltkreis für eine Maschine definieren. Nur, wenn beide Schalter innerhalb von 1 Sekunde gleichzeitig aktiviert werden kann die Maschine gestartet werden. (z.B. Zweihandbedienung bei einer Presse / einer Stanzmaschine ohne Lichtvorhang)
Das benötigte Programm wird per USB auf eine SIM-Karten ähnliche Chipkarte aufgespielt. Beim Start der Kleinsteuerung wird zunächst eine Selbstkontrolle durchgeführt und dann eine Betriebsbereitschaft hergestellt. Um die Maschine zu starten (z.b. die Versorgungsspannung anzulegen oder die Enable Signale der Antriebe zu aktivieren) wird ein externer Schaltkontakt verwendet.
Servo/Schrittmotor-endstufen
Am besten im Betrieb nicht die Versorgungsspannung unterbrechen, sondern den Antrieb erst kontrolliert stoppen. Danach ggf. den Strom wegnehmen. Die meisten Servoendstufen und Schrittmotortreiber besitzen dazu neben dem Step/Dir Signal auch einen Eingang namens „ENABLE“. Oftmals ist dieser jedoch erst durch einen DIP-Schalter oder in der Software zu aktivieren.
Der Motor kann nur dann anlaufen, wenn das ENABLE Signal anliegt. Laufende Motoren werden bei Unterbrechung des Signals umgehend gestoppt – Schrittmotoren werden jedoch weiterhin bestromt und können durch das Haltemoment z.B. ein Absacken der Z-Achse verhindern.
Frequenzumrichter / „Sicherer Halt“
Auch beim Thema Frequenzumrichter empfiehlt sich ein kontrolliertes Anhalten im Notfall. Kappt man einfach die Versorgungsspannung dreht die Spindel im Leerlauf weiter, je nach Masse des Werkzeugs kann das ziemlich lange dauern.
Hallo Ande,
danke für dein Erläuterung und den Tipps, ich selbst versuche ein PNOZ X9P mit dem Hitachi zu verheiraten, leider kommen im ProDrive Fehlermeldungen – kannst Du mir eine Hilfestellung geben. Danke!
Hallo Lars,
wie bindest du das X9P denn an? Ich habe bei uns die „sicherer Halt“ Eingänge des FU daran angeschlossen.
Viele Grüße,
André
Hallo Andre,
hallo Fabian,
tolles Projekt das ihr hier seit Jahren auf die Beine stellt. Respekt !
Zum obigen Artikel hätte ich 2 Fragen:
>>>Unter gewissen Voraussetzungen (!) darf auch auf einen RCD verzichtet werden,
>>>die Entscheidung bzw. Umsetzung sollte jedoch unbedingt einem Profi
>>>überlassen werden.
1. Kannst du eventuell etwas zu den Voraussetzungen sagen untere denen man prinzipiell auf einen RCD (Typ B ?) verzichten kann ?
2. Wen meinst du mit Profi ?
Reicht ein normaler Elektro-Meisterbetrieb vor Ort ?
Oder muss da ein Betrieb aus dem Bereich Automation oder Starkstrom oder Anlagenbau sein ?
Ich frage, weil eine erste Anfrage an einen örtlichen Elektro-Meisterbetrieb bezüglich FU und FI, etc. eher ’sehr zurückhaltend‘ beantwortet wurde. Das Thema FU schien nicht die Kernkompetenz zu sein und es schien als wäre es dem Betrieb lieber ich gehe zu jemanden anderen.
Gruss
Ralf
Hallo Ralf,
danke für das Lob 🙂
Grundsätzlich darf ein Elektrofachbetrieb solche Arbeiten (Austausch des RCDs / Festanschluss von Maschinen) ausführen. Das 3-Phasen Hausnetz heißt zwar Umgangssprachlich „Starkstrom“, bewegt sich aber noch im Niederspannungsbereich. Erst ab 1kV wird es Mittelspannung.
Der örtliche Elektrobetrieb wird, bis auf einen Garagentorantrieb für ein größeres Tor, nicht viel mit Freqenzumrichtern zu tun haben. Das klemmt er dann nach Anleitung des Herstellers an und fertig.
Zum Thema ganz ohne RCD:
Soweit mir bekannt darf bei fest angeschlossenen Maschinen auf einen RCD verzichtet werden.
D.h. direkt mit einer Anschlussdose an der Wand verkabelt und entsprechend zum Potentialausgleich geerdet. Bei einem zu erwartenden Ableitstrom > 10mA sind mindestens 10 mm2 Querschnitt zu verwenden.
Kompliziert wird es mit Aggregaten (Pumpen, berührbare Teile, etc.) oder „laienbedienbaren“ Steckdosen an der Maschine für Zusatzgeräte. Die müsstest du weiterhin mit einem RCD 30 mA absichern. Final kann das nur eine Gefährdungsbeurteilung klären…
Grundsätzlich ist das aber gar nicht nötig wenn du gute Komponenten und ggf. einen 4-poligen Netzfilter verbaust. Dann sind die Ableitströme entsprechend gering und alles was dann noch auftritt kann vom Netzfilter gegen N (und nicht PE!) abgeleitet werden.
Da hier im Fehlerfall (im Zwischenkreis) aber weiterhin hohe FehlerGLEICHströme auftreten können ist ein RCD Typ „B“ mit < 30 mA angebracht. Auf Dauer könnte ein FU des Typs "A" durch die ggf. nicht ausreichend gefilterten Oberwellen des FUs außerdem funktionslos werden. Viele Grüße, André
Hallo Andre,
danke für die schnelle Antwort.
Ich habe noch 2 Fragen:
1. „und ggf. einen 4-poligen Netzfilter verbaust. “
Kannst du mir bitte einen Hersteller/ Produkt dafür nennen ?
2. Mich würde noch interessieren wie ihr es bei eurer Werkstatt konkret gemacht habt.
Variante A:
Den Motor der CNC -Fräse direkt angeschlossen, mit seperater 10 mm2 Erdungs-Leitung. Das ganze aber ohne RCD Typ B.
Dafür aber alle sonstigen Aggregate/ Steckdosen über einen eigenen Stromkreis. Dort aber mit RCD Typ A.
Variante B:
Den gesamten Stromkreis für die CNC-Fräse, inkl. aller Aggregate per RCD Typ B angeschlossen.
Vielen Dank im Voraus !
Gruss
Ralf
Hallo Ralf,
hier noch ein paar Details für dich:
Zum Thema Netzfilter findest du alle nötigen Infos in diesem Artikel.
Zu deiner RCD Frage: Löuft alles über einen B RCD von Siemens. Bei den Preisen bitte nicht erschrecken, die kosten so um die 3-400 Euro für die 40A Version. Wenn du mit 40A hinkommst spricht nichts dagegen alles über einen RCD zu leiten, ansonsten musst du die Parallel zu einem A RCD verbauen.
Viele Grüße,
André
Hallo Andre
Erst ein mal für den Beitrag .
Ich möchte meine Drehbank mit einem FU versehen beim durchlesen verschiedener Beiträge zu dem Thema wurde klar der Motor soll direkt an den FU angeschlossen werden , der Gleichstrom (bei den Amper ist ungesund) , für mein Verständnis ,würde erst genau dort auftreten.
Wenn jetzt da solch ein RCD B (FI) dazwischen geschaltet wird habe ich die Befürchtung das eigendlich alles I.O. ist aber trotz dem das ganze nicht funktioniert .
Ich möcht das ganze so aufbauen das die höchst mögliche Sicherheit gegeben ist aber funktionieren sollte es schön.
Kannst du da weiter helfen ?
Beste Grüße Henry
Hallo Henry,
ein Fehler-Gleichstrom kann im Zwischenkreis des FUs auftreten und im ungünstigsten Fall, sprich Kontakt mit dem Gehäuse, zur Gefahr werden. Bei hochwertigen Geräten (Hitachi / Omron / Siemens / etc.) sehe ich dieses Risiko als recht klein, hier wird allerhand überwacht und der FU würde in den meisten Fällen vermutlich ohnehin in Störung gehen und sich abschalten.
Nun zurück zum RCD Typ B – Schadet natürlich nicht einen einzubauen, zumal du neben einem Fehlergleichstrom auch noch Fehlerströme mit sehr hohen Frequenzen (manche Spindeln brauchen 600-1000 Hz) möglich sind, die der Typ A nicht detektieren kann. Du musst jedoch die Selektivität wahren, das heißt du kannst den Typ B RCD nicht hinter einem Typ A einbauen. Das hat mehrere Gründe – einmal sendet der FU je nach Güte (Und vorhandenem Netzfilter) fiese Oberwellen zurück ins Netz, was ggf. die Spule eines Typ A RCDs übersättigen könnte und diesen von seiner Fähigkeit überhaupt auszulösen entbindet.
Der RCD Typ B gehört auf keinen Fall zwischen FU und Motor! In den Anleitungen der meisten FUs ist zwischen FU und Motor kein schaltendes Element erlaubt und kann ggf. sogar zur Zerstörung des FUs führen.
Vor deinem Typ A in der Installation muss also ein Abzweig auf deinen Typ B RCD gelegt werden. Von hier darfst du dann eine reguläre Dose für die Maschine setzen.
Ich hoffe die Infos helfen dir etwas weiter!
Viele Grüße,
André